Prolog zum Sorbischen Memorandum

Witajśo, sehr geehrter Herr Präsident,

Die Sprachenpolitik der Europäischen Union ist weltweit beispiellos und seit ihrer Gründung das Herzstück ihrer wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Dynamik. Aus diesem Grund ist auch Irisch mit nur ca. 20.000 Sprechenden eine der 23 offiziellen Amtssprachen der EU. Sie hatten während eines Gespräches in der Vertretung der EU-Kommission am 4.7.2007 in Berlin um einen Brief zur Lage der Sorben und Wenden in Deutschland gebeten.

Ich sende Ihnen heute daher diesen Notruf und einen Prolog zum demnächst vorzulegenden Sorbischen Memorandum. Denn über dieses ist eben jetzt eine lebhafte Auseinandersetzung in Deutschland im Gang. Das Schreiben erreicht Sie heute von einer der ältesten und bedrohten Minderheiten Europas. Beheimatet sind Sorben seit über sechzehn Jahrhunderten als „First Nation“ in der sich über die Bundesländer Brandenburg und Sachsen erstreckenden Lausitz. Sorben sind deren erste Fürsprecher und Anwälte. Die Lausitz oder Lužica, wie wir das wasser- und bodenschatzreiche Land nennen, ist eine der ältesten Kulturlandschaften Europas. Ihre Schätze können sich als Segen erweisen. Aber es fehlt an couragierter Politik und Selbstverwaltung. Die Chancen einer EUROREGION LAUSITZ, die das einzigartige Kontaktgebiet slawischer und germanischer Sprachen bietet, verkümmern in vielen Bereichen ungenutzt. Wir befürchten sogar, dass diese in kurzer Zeit unwiderruflich verloren gehen.

Wir zeigen an: Mehr als 130 Dörfer, die Horte der sorbischen Sprache und Überlieferung waren, und Kulturlandschaften von der Größe des Stadtstaates Hamburg wurden durch blinde Wirtschaftspolitik und die entfesselte Kohleausbeutung vernichtet. Von deren
spektakulären Gewinnen unserem Volk nur Almosen hingeworfen werden. Daher setzen Sorben ihre Hoffnung inzwischen auch auf die EU-Kommission und Ihr Engagement für die nachhaltige Entwicklung und Stärkung der Regionen. Wir bitten Sie, sehr verehrter Herr Präsident, sich mit Ihrem ganzen politischen Gewicht für das Zustandekommen eines Deutsch-Sorbischen Gesellschaftsvertrages einzusetzen, in dem die deutsche Seite konkrete politische und wirtschaftliche Konsequenzen aus ihrer historischen Schuld zieht. Im Kern geht es um drei Punkte:

  1. die unverzügliche Einführung der von den deutschen Landesverfassungen vorgesehenen politischen Selbstbestimmung der Sorben;
  2. die gesetzliche Verankerung der sorbischen (Teil-)Ansprüche auf die künftige Nutzung der Lausitzer Bodenschätze und ihre gesetzlich garantierte Mitbestimmung beim ökologischen Schutz und der ökologischen Sanierung der sorbischen Heimat;
  3. eine finanzielle Soforthilfe, um die durch deutsche Eingriffe beschädigten Bildungsstrukturen zu reparieren und das Überleben der sorbischen Sprachen und Kultur mittelfristig zu sichern.

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