Dieser Tage erhalten alle Bürger ihre Wahlbenachrichtigungen zur Kommunal-, Europawahl und teilweise auch für die Stadtratswahl. Im sächsischen Kommunalwahlgesetz (§63) und in der entsprechende Rechtsverordnung ist festgelegt, dass im sorbischen Siedlungsgebiet die Wahlbenachrichtigungen in sorbischer und deutscher Sprache verfasst sein müssen.
Die Einwohner der Gemeinden Neschwitz und Puschwitz staunten nicht schlecht, als sie letzte Woche ihre Briefkästen leerten. Wie sich jetzt herausstellt, wurde sich gegen die zweisprachige Variante Entschieden. Somit wurden seitens der Gemeinde Druck- als auch Portokosten eingespart.
[googleMap]Neschwitz Sachsen|[/googleMap]
[googleMap]700|200|10|2|0|Puschwitz Sachsen|[/googleMap]
Den Schutz der sorbischen Sprache im Kommunalwahlgesetz zu verankern, mag für einige nicht ersichtlich sein, hat aber absolut seine Berechtigung. Primär geht es darum, dass der Sprache ein besonderer Schutz zugesprochen wurde und dieser durch solche Aktionen untergraben wird. Allerdings gilt dieser Schutz leider nicht für die Europawahl.
Danke, an Marcel Braumann (der Artikel wurde entsprechend seiner Hinweise überarbeitet)
Das ist echt ne Sauerrei! Warum ist es denn nicht auch bei der Europawahl so?
Ignoranz ³ so zahlen halt alle 2x deswegen
Es gibt zwar ein Gesetz, aber anders ist es billiger, lasst uns sparen! Mit derselben Begründung könnte die Gemeinde ihre Angestellten ja auch schwarz arbeiten lassen, da würde sie noch mehr sparen als mit läppischen Portokosten.
Einigen mag es pedantisch erscheinen – aber diese Gesetze gibt es nicht ohne Grund. Die sorbische Sprache hat es auch so schon schwer – und wenn ihr jetzt noch die rechtlich zugesicherten Räume entzogen werden, die schon klein genug sind…
Toll finde ich das Beispiel der Schweiz, wo z.B. alle Banknoten viersprachig bedruckt werden – obwohl der Anteil der Rätoromanen an der Gesamtbevölkerung minimal ist. So zeigt man Respekt vor seinen Minderheiten. Da kann Deutschland sich noch ’ne Scheibe abschneiden.
Ach naja @Jana … aber was ist denn dann mit anderen „Minderheiten“, wie z.b den in Dtl. lebenden Türken/Russen etc.. Da verstehen viele auch nahezu kein Deutsch. Die wölten das dann ja auch.
Tja, wer das eine will, der muss das andere mögen.
@Alois
Ganz richtig schreibst Du diese „Minderheiten“ in Anführungsstrichen.
Es geht mir um die seit Jahrhunderten hier ansässigen, autochtonen Minderheiten, die in der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen als solche anerkannt und deren Sprachen hier Amtssprachen sind. Ganz unabhängig davon, ob sie Deutsch auch können oder nicht. Dies ist seit Jahrhunderten ihre Heimat und hier sollen sie auch in ihrer Muttersprache sprechen, lernen und Wahlbenachrichtigungen empfangen dürfen. Wegen solcher Rechte hat Deutschland Soldaten in den Kosovo geschickt – im eigenen Land sollte man auch an diese Rechte denken.
Ich allerdings bin nach Südwestdeutschland gezogen, wo Sorbisch keine Amtssprache ist, und muss hier eben auf sorbische Wahlbenachrichtigungen verzichten. Und wenn Du in die Türkei oder nach Russland auswandern würdest, würdest Du dort doch dann Deinetwegen auch keine deutschsprachigen Wahlbenachrichtigungen erwarten, oder? ;o)
Es gibt keinen Sorben, der nicht die deutsche Sprache beherrscht – das ist aber auch gar nicht das Thema. Die Kommunalwahlordnung, zu der das Sächsische Innenmisterium verbindliche Hinweise gegeben hat, schreibt zweisprachige Wahlbenachrichtigungen für das sorbische Siedlungsgebiet vor. Daran haben sich unsere Nachbargemeinden auch gehalten – nur Neschwitz nicht, obwohl es hier einen signifikanten Anteil sorbischsprechender Bevölkerung gibt. Deshalb habe ich bereits am Sonntag und ein zweites Mal am Mittwoch der Gemeinde eine Beschwerde zugeschickt, mit dem Ziel, dass der schwere Fehler offiziell eingeräumt und daraus Konsequenzen für den Umgang mit dem Sorbischen gezogen werden. Mein erster Vorschlag für „Wiedergutmachung“: Offensive Werbung der Gemeinde Neschwitz für die hier bestehende, aber faktisch nahezu ungenutzte Möglichkeit, sich in sorbischer Sprache trauen zu lassen – immerhin gibt es im Neschwitzer Schloss schon einen Hochzeitstourismus, aber bisher faktisch nur auf Deutsch, obwohl es eine sorbischsprachige Mitarbeiterin der Gemeindeverwaltung und in der Umgebung überwiegend sorbische Dörfer und Gemeinden gibt. Heute habe ich Nachricht von der Gemeindeverwaltung erhalten, dass ich eine Antwort bekommen werde. Mal sehen, was wird. Sorbisch ist eine große kulturelle und auch wirtschaftliche Chance – siehe Verständigung mit den slawischen Nachbarvölkern -, die auch Neschwitz nicht durch fatale Signale in die falsche Richtung vertun sollte. Aber vergessen werden darf dabei nicht: Es geht auch um von der EU anerkannte Grundrechte von Menschen, die sogenannte kleine und Regionalsprachen sprechen – und dieselben Rechte auf Repräsentanz ihrer Muttersprache haben wie Leute, deren Muttersprache von 100 Millionen anderen Menschen gesprochen wird.
Marcel Braumann aus Neschwitz
Ich kann Jana und Herrn Braumann nur beipflichten passenden Formuliert und gekonnt.
Als Konsequenz dieses Gesetzesverstoßes sollten nun die Wahlbenachrichtigungen neu gedruckt und versendet werden.
Bürgermeister Schuster hat mir immer noch nicht geantwortet, dafür aber meldet die Nachrichtenagentur ddp, dass ihm dienstrechtliche Konsequenzen drohen:
https://www.ad-hoc-news.de/buergermeister-drohen-konsequenzen-wegen–/de/Politik/20249781
Ok, da hab ich dann doch etwas verwechselt
Domowina-Vorsitzender Jan Nuck hat Protest-Brief an den Neschwitzer Bürgermeister Schuster (CDU) geschickt: Sorbische Bevölkerung ist empört, Domowina „lehnt Ihre willkürliche Entscheidung ab und verurteilt sie“. Nuck fordert Auswertung der Angelegenheit beim Landrat. – Ich bin gespannt, wie lange die Verwaltungs-Verantwortlichen im Kreis brauchen, endlich Klartext zu reden. Das bisherige Schweigen der Lokalredaktion der „Sächsischen Zeitung“ hilft auf Dauer nicht beim Aussitzen der Wahlbenachrichtigungsaffäre, weil genug andere berichten :-).
Der Neschwitzer Bürgermeister Schuster hat mir mit 90 Zeilen langem, ebenso freundlichem wie verbindlichem und sachlichem Brief auf meine Beschwerde wegen der einsprachigen Wahlbenachrichtigung geantwortet. Er „bedauere zutiefst“ den Verstoß gegen die Kommunale Wahlordnung und übernimmt dafür die Verwantwortung. Zugleich lädt er mich zu einem Gespräch über „weitere Vorschläge zur Kennzeichnung unserer Gemeinde als zweisprachiges Gebiet und Umsetzungsvorschläge“ ein, um gemeinsam Lösungen zu finden. Ich werde dieses Gesprächsangebot selbstverständlich gern annehmen.
Wow @ Marcel .. ein Gespräch zum Thema “weitere Vorschläge zur Kennzeichnung unserer Gemeinde als zweisprachiges Gebiet und Umsetzungsvorschläge”.
Glückwunsch, bitte erzähl dann was dabei rausgekommen ist!
🙂
Natürlich werde ich Euch hier exklusiv berichten :-). Eine Krise wie diese Wahlbenachrichtigungsaffäre ist ja immer eine gute Gelegenheit für alle Beteiligten, sich für neue Wege zu entscheiden. Vielleicht wird unser schönes Neschwitz ja noch eine deutsch-sorbische Mustergemeinde :-). Potenzial dafür ist jedenfalls genug vorhanden. Man muss es nur nutzen: die sorbischsprachige Gemeindemitarbeiterin, die Sorbisch verstehende und ein bisschen sprechende Gastwirtin, die Sorbisch lernenden Kinder, die vielen sorbischen Familien in den Dörfern. Nicht zu vergessen die Nähe zu den Gemeinden der sorbischen Hochburg „Verwaltungsgemeinschaft Am Klosterwasser“, zum sorbischen Radibor und den vielen sorbischen Institutionen in Bautzen. Mit gutem Willen lässt sich ganz viel machen, was gar nicht viel kostet, aber viel bewirkt.
Es geht voran mit der Zweisprachigkeit in Neschwitz, mein Bürgermeister Gerd Schuster (CDU) hat dazugelernt! Ich habe als Ersatzperson für den Gemeinderat jetzt zusammen mit dem offiziellen Schreiben mit der Frage, ob ich das Amt annehme oder ob es Hinderungsgründe gibt, folgenden Zettel von der Gemeinde bekommen:
„Informacija za wolenych wot gmejny: Z předležacym němskorěčnym pismom informujemy Was wo wuslědkach aktualnych wólbow. Skedźbnjamy Was zdobom na móžnosć wotpokazanja čestnohamtskeho dźěła a na ewentualnje wobstejace zadźěwki a namołwjamy Was, zo byšće nam zdźělili, hač chceće wólbu wotpokazać ab so na zadźěwki powołać. Dokładniše informacije zhoniće w němskorěčnym pismje.“
So sieht die Zweisprachigkeit aus, die wir haben wollen. Es geht doch! Und der Bürgermeister hat auch sein Versprechen eingehalten und mit mir einen Termin für unser Gespräch über eine Verbesserung der Zweisprachigkeit in der Gemeinde ausgemacht. Wir treffen uns Anfang Juli im Eiscafé :-).
Wunderbar, schön das sich alles zum guten wendet